Ein Mann geht im Wald spazieren. Nach einer Weile sieht er einen Holzfäller, der hastig und sehr angestrengt dabei ist, einen auf dem Boden liegenden Baumstamm zu zerteilen. Er stöhnt und schwitzt und scheint viel Mühe mit seiner Arbeit zu haben. Der Spaziergänger geht etwas näher heran, um zu sehen, warum die Arbeit so schwer ist. Schnell erkennt er den Grund und sagt zu dem Holzfäller: „Guten Tag, ich sehe, dass Sie sich Ihre Arbeit unnötig schwer machen. Ihre Säge ist ja ganz stumpf – warum schärfen Sie sie denn nicht?“ Der Holzfäller schaut nicht einmal hoch, sondern zischt durch die Zähne: „Dazu habe ich keine Zeit, ich muss doch sägen!“
Fast alle von uns versuchen gelegentlich, durch Verzicht auf Pausen und Regeneration oder durch Ignorierung unserer Bedürfnisse etwas mehr aus unserer begrenzten Zeit herauszuholen. Bei anderen Menschen können wir oft leichter erkennen, warum immer Funktionieren einfach nicht funktioniert.
Nicht umsonst gilt Selbstfürsorge als eine der wichtigsten Maßnahmen zum Erhalt unserer körperlichen und mentalen Gesundheit. Entgegen der landläufigen Meinung ist mit Selbstfürsorge mehr gemeint als ein wöchentliches Schaumbad oder der jährliche Urlaub in Kroatien. Es bedeutet ein umfassendes Wahrnehmen, Achten und Eingehen auf die eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Grenzen.
Nachstehend eine (unvollständige) Auflistung wichtiger Aspekte der Selbstfürsorge:
- Genug Pausen und Erholung
- Nein sagen
- Mut zur Lücke und positive Fehlerkultur statt Perfektion
- Ausreichend Schlaf
- Pflegen von Freundschaften
- Achten und Eingehen auf Signale des Körpers (z. B. Krankheitssymptome)
Oft entwickeln wir im Laufe unseres Lebens Verhaltensmuster und Einstellungen, die uns dazu verleiten die Selbstfürsorge zu vernachlässigen und uns selbst auszubeuten. Beispielsweise kann die Neigung zum Perfektionismus mit dem zugrunde liegenden Glaubenssatz „ich bin nicht gut genug“ dazu führen, dass wir uns über den Versuch, alle unsere Aufgaben perfekt erledigen zu wollen, viel zu wenig Pausen und Schlaf gönnen. Wer getrieben ist von Leistungsdenken und Ehrgeiz neigt häufig dazu, Freizeitaktivitäten oder soziale Kontakte zu vernachlässigen. Oder jemand, der Probleme damit hat „Nein“ zu sagen, lässt immer wieder zu, dass andere Menschen die eigenen Grenzen überschreiten.
In manchen Fällen kann ein Selbstfürsorgedefizit zur Entwicklung eines Burnouts oder einer Depression führen. Eine Psychotherapie kann dazu beitragen, sich der Vernachlässigung der eigenen Selbstfürsorge überhaupt einmal bewusst zu werden, um dann im nächsten Schritt herauszufinden, welche Ursachen hinter einem Selbstfürsorgedefizit stecken könnten.