Psychische Erkrankungen entstehen selten von heute auf morgen, sondern entwickeln sich oft schleichend über einen längeren Zeitraum hinweg. Häufig kann man bestimmte Lebensereignisse wie den Tod des Partners, ein Trauma oder eine soziale Belastungssituation als Auslöser identifizieren. Fast immer sind aber an der Entstehung und vor allem an der Aufrechterhaltung von psychischen Erkrankungen eine Vielzahl verschiedener Faktoren und deren Wechselwirkungen beteiligt.
In der Verhaltenstherapie spricht man vom bio-psycho-sozialen Bedingungsmodell und meint damit, dass an praktisch jedem Krankheitsgeschehen körperliche, psychische und soziale Aspekte in veränderlichen Anteilen einfließen.
Bei einer Depression können zum Beispiel eine schlechte körperliche Verfassung aufgrund von Bewegungsmangel und wenig Sonnenlicht, ungünstige psychische Persönlichkeitsmerkmale wie Pessimismus oder Perfektionismus sowie soziale Belastungsfaktoren wie Arbeitslosigkeit und vieles mehr eine Rolle spielen. Auch Defizite in der Selbstfürsorge, ungünstige Glaubenssätze/Denkmuster oder eine Tendenz zum sozialen Rückzug können als Einflussfaktoren relevant sein.
Erst wenn man sich alle beteiligten Faktoren ansieht, bekommt man ein Verständnis für die Dynamik eines bestimmten Krankheitsgeschehens. Und erst dann versteht man, warum Menschen auf ähnliche Belastungssituationen unterschiedlich reagieren können und eine Depression eventuell auch dann weiterbesteht, wenn die Arbeitslosigkeit endet.
In der Therapie wird unter anderem der Blick auf bisher übersehene oder unterschätzte Einflussfaktoren gelenkt, was die eigene Erkrankung besser verstehbar und damit auch veränderbar macht. Oft ist nämlich der Blick auf eine bestimmte unveränderliche Lebenssituation gerichtet und es wird übersehen, dass weitere beteiligte Faktoren durchaus beeinflussbar sind.